Schneefall & Ein ganz normaler Tag by Simon Beckett

Schneefall & Ein ganz normaler Tag by Simon Beckett

Autor:Simon Beckett [Beckett, Simon]
Die sprache: deu
Format: epub
ISBN: 9783644400979
Herausgeber: Rowohlt E-Book
veröffentlicht: 2016-08-07T23:00:00+00:00


Schneefall

Aus dem Englischen von Andree Hesse

Der Schnee wehte hinab, bedeckte das bereits mit Frost überzogene spröde Gras und ließ es weicher wirken. So weit das Auge reichte, erstreckten sich nach allen Seiten die Grampian Highlands, deren weiße Gipfel und Täler von grünem Gebüsch übersät waren. Der Himmel darüber war so eintönig grau, dass er unendlich schien.

Ich starrte wie hypnotisiert auf die zahllosen zu Boden sinkenden Schneeflocken und riss mich dann zusammen. Vor mir befand sich der einzige Farbtupfer in der Landschaft: ein quadratisches Zelt, das so gelb leuchtete, als würde die Sonne von innen durch den Stoff brechen.

«Alles in Ordnung, Dr. Hunter?»

Detective Sergeant Winters hatte einen passenden Namen, jedenfalls in diesen Monaten des Jahres. Aber der kalte Name war irreführend. Die Kriminalbeamtin war klein und hübsch und hatte eine sanfte Stimme, die ihr in ihrem Beruf bestimmt keine Hilfe war. In dem Schutzanzug, den sie über ihre Zivilkleidung gezogen hatte, sah sie aus wie ein Kind, das in Erwachsenenkleider geschlüpft war.

«Ich habe mir nur ein wenig die Beine vertreten», sagte ich.

Das gefrorene Gras und die fester werdende Schneedecke knirschten unter meinen Füßen, als ich ihr ins Zelt folgte. Drinnen war die Luft feucht, aber etwas wärmer, ein Eindruck, der durch das von dem gelben Stoff erzeugte falsche Sonnenlicht verstärkt wurde. Einige Gestalten hockten vor einer dunklen, rechteckigen Grube im Grasboden. Aufgrund der weiten Overalls und der Masken wirkten sie geschlechtslos und waren nicht unterscheidbar.

Als ich hereinkam, schauten sie auf. Einer nach dem anderen trat zur Seite, damit ich sehen konnte, was sie da untersucht hatten.

Die Knochen in dem Grab waren klein, wie ich gleich auf den ersten Blick erkennen konnte. Das Team der Spurensicherung hatte sie nur teilweise freigelegt, sodass sie aus der kalten, harten Erde herauszuwachsen schienen. Da sie auch dieselbe Farbe wie der Boden hatten, hätte man meinen können, sie bestünden aus dem gleichen Material. Ich hockte mich neben die Grube. Der Schädel lag schräg auf der Seite, aus den leeren Augenhöhlen und dem Mund rieselte torfige Erde. Er war leicht nach unten geneigt, so als würde er auf das hinabschauen, was die Leiche in den Armen hielt.

An die gebrochenen Rippen schmiegte sich ein zweites Skelett, das wesentlich kleiner war als das andere.

«Ein Schafzüchter hat sie gefunden. Er hat einen Teil des Schädels gesehen, der aus der Erde herausragte», erläuterte Winters und zuckte dann mit den Achseln. «Diese Gegend leidet seit Jahren an Bodenerosion. Wir glauben, dass der heftige Regen im Herbst die letzte Erde weggespült hat, die diese Knochen noch bedeckt hatte. Aber wie Sie sehen können, sind sie nicht besonders tief vergraben gewesen.»

Das stimmte. Das Grab war nicht einmal einen halben Meter tief und bedeckte kaum den traurigen Knochenhaufen, der einmal zwei Leben gewesen war.

«Glauben Sie, es ist wieder passiert?», fragte Winters.

Sie musste nicht erklären, was sie meinte. Dies war meine zweite Reise in die Grampian Highlands innerhalb weniger Monate. Beim letzten Mal hatte ich dabei geholfen, die brutal entstellte Leiche einer jungen Frau aus einem Grab im Hochmoor zu bergen, das allerdings wesentlich tiefer gewesen war als dieses.



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